Mittwoch

Achte Woche - Das Ganze ist mehr als die Summe ihrer Teile.

Es ist nun bereits Anfang September.

 Der Monsoon ist dieses Jahr sehr intensiv und besonders langanhaltend.
Sowie die mächtige Gewalt der Natur, uns Menschen und Tiere im Sturm überrascht, so wie sich unkontrolliert Wassermassen ausbreiten, möchte ich wieder auf die Lyme Borreliose
aufmerksam machen.
Das zerstörerische Potential, das Inferno in einem Organismus und die Folgeschäden, lassen sich ebenso schwer bereinigen.
Mein Körper ist mit Aufraümen und mit Reperaturmassnahmen beschäftigt.
Mein Immunsystem fängt an "hoch zu fahren", das kostet Kraft und vermittelt zugleich HOFFNUNG.

Am Sonntagabend wird eine große Infusion mit Stammzellen verabreicht. Bereits nach einer Stunde, spüre ich  unmittelbar die so ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, als Reaktion.

Ich kann nur schlafen.
Am nächsten Morgen fühle ich mich besser, beobachte jedoch stark geschwollene Gelenke der unteren Extremitäten.

Ich bemerke hinter den Augen (retrobulär) starkes Stechen und Druckgefühl, die Tränenflüssigkeit fließt von alleine los. Ist das eine positve Reaktion auf mein Glaukom (Grüner Star) ?
Was sonst, mmhh. unglaublich.
Ich leide doch seit Jahren, eher unter trockenen Augen.
Weitere Veränderungen zu verzeichnen sind eine beginnenden Zunahme an Kraft und Ausdauer, vorallem des Gefühles und der Fähigkeiten, wieder von den eigenen Füßen getragen zu werden. Nur schon alleine kontrolliert gerade zu stehen- ist ein tolles Gefühl. LEBEN. Freiheit.
 Ich erobere mir meinen Körper zurück.
Wenn nur diese bleiernde Müdigkeit auch schon weg wäre und diese fiesen Gelenkschmerzen und massiven Migräneanfälle, die mich nun Schubweise plagen. Wieder ein Erfolg, denn richtig gelesen "Schubweise"!!!
Ich kannte keine schmerzärmeren Phasen oder beschwerdefreie Intervalle in all den Jahren.  Ich gehöre zu den zahlreichen Borreliose Patienten, die permanent- Tag ein Tag aus, voller Erschöpfung, mit starken Scherzen in unterschiedlichen Arealen leben musste.
 Schlafen, schlafen und nochmal schlafen. In so fern wieder ein elementarer Erfolg,  ich habe nun auch mal die Möglichkeit einfach aufzuwachen und aufzustehen, ohne mich wie in den schlimmsten Zeiten mit letzter Kraft nach über einer Stunde Anlaufzeit und mich maximal in Zeitlupe bewegen zu können.

Das Ganze ist mehr als die Summe ihrer Teile.
Jetzt heißt es durchhalten, nicht aufgeben, weder Hoffnung noch die Zuversicht.
Ich muss sagen, es fällt manchmal schwer und dieses ist und bleibt immernoch eine der größten Herausforderungen in meinem Leben.
Sechs Jahre Fehlschläge, 30 Jahre medizinsches Kuriositätenkabarett und die lange Unwissenheit über die Ursache meiner massiven Beschwerden, dürfen mich jetzt nicht zermürben. Mein gutes Zureden und der Erfahrungsaustausch mit Mitpatienten helfen weiter, ebenso höre und fühle genau in mich hinein, die alten Symptome, die mein Leben so lange regiert haben in einer unvorstellbaren Dominanz, Sie gehören hoffentlich zum Heilungsprozess, in so fern, daß es sich hierbei letztendlich um sogenannte Erstverschlimmerung vor Besserung handelt.
-Du bist was du denkst.-

 Montag früh beuge ich mich den Beschwerden, ich habe höllische schmerzen in meinem ganzen körper und übelste migräne. Das ist kein Ponyhof hier, aber ich WILL gesund werden und ich weiß hier kann ich den Weg ebnen. Langsam aber sicher zurück ins Leben.
Nach festem Schlaf, erwache ich mit Hungergefühlen und schaffe es am nachmittag 15Min. zur Physiotherapie, ich falle erschöpft in mein Bett.
Am Montagabend bekomme ich die sonstigen intramuskulär verabreichten Injektionen, direkt in die Handvenen injeziert.
Der Dienstag verläuft genau wie der Mittwoch. Dr. Shroff kommt in mein Zimmer und meint, das ist "normal".
Christine, dein Immunsystem fährt langsam hoch...das kostet Unmengen an Energie. Schlafen ist gut. Ruhe dich aus!

Mittwoch,  der 1.September. Ich fühle mich morgens immer noch richtig schwach." Hallo Kraft? Wo bist du?" Immernoch Warteschleife. Ich pausiere morgens und bleibe liegen, ich schlafe wieder.
Mein Körper und meine Gedanken verlangen nach Ruhe.

Ich merke, ich muss mich einfach schonen und den Organismus nicht gewaltsam überfordern.
Zeit und Geduld.
Es wird bald wieder besser sein. Am frühen nachmittag ist es soweit. Nach erfolgreicher Physiotherapie zieht es mich raus.  Das Wetter ist wunderschön, nach Wochen im Dauerregen, scheint die Sonne.

Los geht es und nun ein absoluter Geheimtip in Delhi in Sachen Einkaufen: "Industries Cottage Emporium", hinter diesem Namen verbirgt sich ein fünfstöckiges Kaufhaus! Da wenig los ist, kann man hier tolle handwerkliche arbeiten aus ganz Indien bewundern und sich einer wunderschönen Reizüberflutung für die Sinne hingeben!

 Nachmittags gegen 16 h Wolkenbrüche, der Monsoon ist ungewöhnlich lang dieses Jahr...
Endlich, endlich geht es mir besser! Die Schwellungen der Knie geht leicht zurück und ich fühle mich wieder belastbarer.
Hunger, Hunger, Hunger und gute Laune. Das ist mein guter Hypothalamus, es muss erste Verbesserungen im Gehirn geben.

Ich freue mich!
Alles wird gut! Ich weiß, ich bin auf der richtigen Fährte der Weg zur Heilung ist mein Ziel!
Da sind wir wieder bei Tolstoy: "Alles wird gut, für den der warten kann."

Am Donnerstag wird in der Physio mit Gewichten trainiert, ich laufe erstmals sicher ohne mich abzustützen nach unten und erstmals kann gerade laufen. ( Nicht mehr in gebückter Hatlung unter starken Schmerzen)

Krihna Janmah...heute ist ein hinduistische Fest. Viele Kinder sind heute angezogen wie Krishna...

Vor Treppen habe ich einen enormen Respekt, genau jenes "Treppenlaufen" wird nun verstärkt trainiert.
Schwindel und Schwierigkeiten motorischer Natur sind beim nachmittags Training verstärkt zu beobachten.
Einfache Anweisungen: " Rechter Arm und linkes Bein heben" sind anfangs nur unter maximaler Konzentration und nur unter größtem Kraftaufwand möglich. Die Balance gilt es wiederzufinden und zurückzuerobern.
Wir trainieren auf einem Gymnastikball sitzend, Gleichgewicht, Muskelaufbau und schulen den Gleichgewichtssinn.

Ich bin erstmals in freudiger Erwartung auf den anstehenden Spect Scan, der in den kommenden Tagen zum Vergleich mit dem Spect bei meiner Ankunft durchgeführt wird! Spannend und schön, alleine die Vorstellung, zu sehen, wie sich die bereits fühlbaren Verbesserungen,  visuell darstellen.

Am Freitag findet wieder ein Patienten/Angehörigen Meeting mit der Klinkleitung  vormittags in der Lobby statt. An diesem Meeting kann ich nicht teilnehmen, denn es ist einer jener Tage, die mich ans Bett fesseln. Am Samstag geht es mir wieder viel besser! Als ich in der Lobby auftauche, erfahre ich das Perry, seit über 10 Jahren, abhängig von einer Atemaschine, ohne jene atmet, schon stundenlang. Gänzlich ohne Maschine!
Die absolute Sensation hierbei, normalerweise ist die körpereigene Atmungsmuskulatur bei vollständiger Lähmung erschlafft. Perry atmet und atmet und atmet, am Monitor zeigen sich 99% Sauerstoff und ein regelmäßiger Herzschlag.

Ich werde diesen Augenblick nicht vergessen. Perry atmet und ich konnte zu ihm laufen und habe einen richtig guten Tag. Ich bin so gespannt auf den Spect Scan im Vergleich.
Die letzte Woche, der ersten Runde,  in Indien hat begonnen...

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