Dienstag

Ziel Neu Dehli & Die ersten Tage in Indien

 
Das Abenteuer Indien beginnt. Am Samstag, den 10. Juli 2010 geht es wirklich los!
Frankfurt- Neu Delhi - Direktflug 7,5 Stunden. Eine echte Herausforderung für ein Gehirn voller Borrelien.  
Mein Motto lautet jedoch ungebrochen: Wo ein Wille da ein Weg!
Und ich sage Ihnen, Sie können sich gar nicht vorstellen wie sehr ich nach Indien will! 

Natürlich bin ich sehr aufgeregt, es ist mein erster Langstreckenflug als Schwerbehinderte. Der Service der Lufthansa ist wirklich erstklassig.
An meiner Seite ist meine außergewöhnlich hilfbereite Freundin Lisa, die sich spontan bereit erklärt hat mich auf diesem Abendteuer zu begleiten und 9 Wochen lang zu unterstützen.

Wir wurden souverän von dem Begleitservice an den anderen Passagieren vorbei als erste ins Flugzeug gebracht, ungeschickterweise befand sich unser Sitzplatz im hinteren Bereich der Maschine. Erleichtert stelle ich jedoch fest, dass es sich um eine Jumbo Maschine Boing 747-400 handelt. Im Hinterkopf versuche ich die Gedanken an meinen letzten Flug aus zu schalten. Inlandflug: Durch die chronische Entzündung meiner ZNS war ich stärksten Schmerzen ausgesetzt und die Druckverhältnisse machten sich durch ununterbrochenes, starkes Erbrechen mit Kreislaufzusammenbrüchen bemerkbar. 

Am besten kann ich es so beschreiben:  "Stell Dir vor, dein Gehirn, samt Rückenmark wird von einer Luftpumpe in einem rekordverdächtigen Eiltempo aufgeblasen!"

Da ich diesen letzten Flug noch im Hinterkopf hatte, habe ich mich natürlich dementsprechend vorbereitet, um mir solch ein Höllentrip zu ersparen - Tropfen, Kaugummis, feuchte Kompressen, Kissen.
Es gibt keine Zufälle und ich hatte das große Glück vor einigen Monaten einen hervorragenden Naturheilpraktiker und Immunologen gefunden zu haben, der mich nicht nur auf Indien optimal vorbereitet hat, sondern mir auch lindernde Tropfen mitgegeben hat, um den Flug bestmöglich zu bewältigen.

Ich werde mit dem Rollstuhl durch die Gangway zur Eingangstür des Flugzeugs gefahren, dort bietet man mir an mich von 4 Sanitätern auf meinen Platz bringen zu lassen. Mein Kampfgeist ist immernoch ungebrochen, natürlich lehne ich dankend ab und kämpfe mich unter den erstaunten Augen der Bordbesatzung den schmalen Gang entlang,  während ich mich auf den Kopfstützen der Sitze, welche den Gang säumen abstütze.

Bis ich mich endlich zu unseren Plätzen durchgekämpft habe. Von großem Nutzen zeigt sich ebenfalls die Mitnahme zweier großer Kissen gezeigt, die ich vorsorglich auf meinem Rollstuhl hatte und nun als ausnahmslosen Komfort empfinde.
Wir heben ab:  Kalter Schweiß bricht aus. Der Hirndruck steigt ebenso, wie die Boing.
Lisa fächert mir rettend Luft zu.
Ich denke an mentale Kräfte, an  Shaolin-Mönche und an Fakiere, die über glühende Kohlen laufen. Ich rede mir gut zu. Mentale Kräfte aktivieren, positiv denken!

Sobald wir die Flughöhe erreicht haben, eilt die Flugbegleiterin zu uns und erkundigt sich besorgt nach meinem Befinden.
Ich habe bereits eine nach vorne gebückte Dauerhaltung eingenommen.... Die beiden Kissen sind unbezahlbar. Sie befinden sich auf meinen Knien. Kauerend hänge ich auf meinem Sitz in einer ähnlichen Position, die bei einer Notlandung eingenommen werden sollte. Die freundliche Flugbegleiterin ist besorgt, ich beruhige Sie, in dem ich Sie über meine Erkrankung aufzuklären. Ein freundlicher Inder fragt hilfsbereit von links, ob ich zum erste Mal fliege und nur Angst habe?  Lisa klärt die Situation, zu meiner Erleichterung für mich auf.

Ich verharre ca. 2 Stunden in meiner Position, um mich danach langsam aufzurichten und gerade hinzusetzen,  erleichtert mich bis dato nicht übergeben zu haben, und stelle in der gleichen Sekunde fest, daß eine aufrechte Haltung unerträglich ist. Also verbringe ich die komplette Flugdauer in der "Notlandungsposition"
Mit dem Kopf auf zwei Kissen auf dem Schoss oder auf dem Tablett- und muss mich zum Glück wirklich nicht übergeben!

Eine Stunde vor der angekündigten Landung, nehme ich jede kleinste Flughöhenveränderung wahr.
Das Vegetative Nervensystem meldet sich wieder lautstark. Es war eine weise Entscheidung den ganzen Flug über nichts zu essen sondern nur Unmengen an Wasser zu trinken. Von den Nachbarsitzreihen wird mir Ermutigung und Bewunderung zu Teil, für mein Durchhaltevermögen und meine mentale Stärke.

"Strong Woman, such a strong woman!"
 
Die mitfühlende und offene Art meiner indischen Mitreisenden rührt mich.
Der Flieger setzt auf, mir schießen Tränen in die Augen vor Erleichterung den Flug überwunden zu haben und vor Glück endlich am Ort der "Heilung" angekommen zu sein.

Wir sind die Letzten, die, die Maschine verlassen. Die freundlich, wie besorgte Flugbegleiterin, die oben schon erwähnt wurde, gesellt sich zu uns und beginnt ein nettes Gespräch. sie scheint zugleich schockiert und interessiert am Hintergrund meiner Erkrankung zu sein. Wir kommen ins Gespräch...

Ich erkläre Ihr meine Umstände und den Grund meiner Reise....Ein einziger Zeckenstich, der zu spät behandelt wurde. Sie erzählt aufgeregt, daß Sie immer wieder in ihrer Leistengegend Zecken entfernt, da Sie Ihre Hunde häufig im Wald ausführt. Sie klagt über Abgeschlagenheit und möchte die ersten Krankheitszeichen der Lyme Borreliose wissen....
Wir verabschieden uns sehr herzlich. Diesmal werde ich mit einem sehr schmalen Stuhl durch den Gang aus dem Flieger gebracht, von zwei indischen Herren, die sehr freundlich sind, aber kein Wort Englisch verstehen oder erwidern können.
Delhi Airport - Zoll, Pass, Kontrolle....alles läuft dank Begleitservice absolut einwandfrei und schnell.
Mit allen unseren Gepäckstücken erreichen wir einen Korridor gesäumt von zahlreichen freundlich lächelnden Indern, die Namenschilder hochhalten. Am Ende steht ein freundlich lächelnder Man der schon aus der Ferne ruft:  "Christin- Nu Tech?"

Er hat mich direkt erkannt, wir sind in sicheren Händen. Er ist sehr freundlich, bringt uns nach draußen, während er sich in fließend gutem Englisch mit uns unterhält. Das Klima ist überwältigend inmitten der Nacht tropische Hitze, starke Schwüle. Monsun.

Unser englischsprechender, freundlicher Begleiter eilt zu einem Mini Van, verstaut das Gepäck und meinen Rolli. Die Sitze sind mit Leinenbezügen bezogen und durch die Klimaanlage schlägt uns angenehme Kühle ins Gesicht.

Los geht's!
Da sind Sie, die ersten Eindrücke, des nächtlichen Delhi. Obwohl wir kaum etwas erkennen können, zu sehen ist bereits in der Dunkelheit eine Welt der Kontraste. Auf der einen Seite zerstörte, wie zerfallene Trümmerbauten, gesäumt von unzähligen Menschen, auf den Ladeflächen überfüllter Lastwägen.

Rechts und links auf der Straße leben zahllose, obdachlose Menschen inmitten von streunenden Hunden und Müll  in selbstgebauten "Zelten" aus Plastik und Blech. Paradoxerweise türmt sich im Hintergrund eine riesige,  modern Einkaufsgalerie mit Designerläden von Prada, Dior über Gucci zu Versace.....Dieser kontrastreiche Anglick treibt mir Tränen in die Augen.
Ich war zwar vorbereitet auf ein Dritte-Welt- Land. Auf das Kastensystem, dennoch der Anblick nimmt mich sehr, sehr mit. Eine Stadt in den Aufbruch in die Moderne, Baukräne über Baukräne, Berlin?, heute ? oder doch eher 1945 ?, ich bin hin und hergerissen, denn daneben sieht es aus, als seien hier Bomben eingeschlagen.

Da ist er der KULTURSCHOCK...und wir sind noch nicht einmal richtig angekommen!

Wir erreichen die Nu Tech Mediworld nach einer guten halben Stunde. Wir werden empfangen von einem Nachtwächter und zwei überaus freundlichen Nachtschwestern, die uns herzlich begrüssen. 
Wir werden in den zweiten Stock geführt, die Zimmertür öffnet sich.

Ich muss zugeben auf Luxus war ich nicht eingestellt, doch der erste Anblick war mehr als ernüchternd.
Lisa und ich schauen uns an und wir bemühen uns Fassung zu bewahren. Die Schwester kommt noch einmal zurück, um Blutdruck, Sauerstoff und Fieber zu messen. Als wir dann alleine sind fliessen Tränen. Wir sind viel zu müde, um uns dem Schock länger hinzugeben und schlafen recht schnell ein.

Der nächste Morgen ist da, ein Sonntag. Ausschlafen-Ankommen. Wir verbringen den Tag fast ausschließlich auf dem Zimmer, welches wir heute gar nicht mehr so erdrückend empfinden und treffen spät am Nachmittag in der Lobby auf die ersten Mitpatienten.

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